Hass und Gewalt - Gegenwart in Deutschland?
Talk in der ZeitKirche
Peter Wagner16.06.2017 hf Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Besonders darunter zu leiden hat die Journalistin Canan Topcu, Tochter türkischer Arbeitsmigranten: „Ich habe eine islamische Erziehung genossen, den Koran lesen gelernt. Bis vor einigen Jahren hat dies keine Rolle gespielt. Heute werde ich immer wieder auf meine islamische Identität zurückgeworfen und die Debatten um islamiche Gewalt sind schlimmer geworden.“ Michel Friedman, dessen jüdische Eltern einem mutigen Mann, Oskar Schindler, ihr Leben verdankten, beschreibt die zunehmende verbale Gewalt als „geistige Brandstiftung“. „Minderheiten sind vogelfreier geworden und zwar in der verbalen Diskriminierung. Das verändert uns alle mit. Daher ist der Satz - Wehret den Anfängen - aktueller denn je.“ Aber wie geht das? Um nicht opportune Mitläufer sondern Menschen mit Rückgrat zu erziehen, müsse in den Schulen und in den Familien das Ringen um Positionen, Streiten und Diskutieren geübt und belohnt werden. Michel Friedman schildert, wie er das als Kind erlebt hat: „Ich habe mich schon als 8-jähriger eingemischt, auch für viel Streit gesorgt, aber ich bekam jeden Abend von meinem Vater einen Gutenachtkuss.“
Antje Schrupp nimmt heute positiv in den sozialen Medien ein immer stärkeres Selbstbewusstsein von Frauen wahr: „Junge Frauen klagen ihre Rechte ein und gehen auch Konflikte ein. Muslimische Frauen sagen auch: Ich will als Frau geachtet werden, egal wie ich mich kleide. Deshalb werden auch mehr Konflikte offen ausgetragen. Der Frieden von früher bedeutete, dass es auch nichts zu diskutieren gab.“ Michael Friedmann dazu: „Streit ist die einzige Möglichkeit, dynamisch zu bleiben, alles andere ist Stillstand.“ „Streiten meint auch, die Meinung von anderen aushalten können“, so der Kriminologe und Psychologe Prof. Dr. Rudolf Egg: „Ich bin aufgewachsen mit: Rede, wenn du gefragt wirst. Ich wollte aber auch reden, wenn ich nicht gefragt wurde. Meinungsfreiheit bedeutet ja nicht, dass wir zu einer Haltung kommen. Ich kann zuhören und dabei ganz anderer Meinung sein. Es gibt keine Ungläubigen, es gibt Andersgläubige.“
Als Fazit der Talkrunde sind sich die Gesprächspartner einig, dass jeder in seinem Bereich gefordert sei, verbaler Diskriminierung entgegenzuwirken. Canan Topcu sieht eine Chance darin, als Journalistin mit türkischen Wurzeln zwischen Migranten und der deutschen Kultur vermitteln zu können. „Ich positioniere mich zu allen Seiten und es ist gut, dass ich mich als freie Journalistin in diesem Land frei äußern kann.“ Professor Dr. Rudolf Egg endet mit einem optimistischem Schlusswort: “Wir sind nie am Ziel. Wir sind in unserer kleinen Inselwelt unsers Lebens gefangen, es lohnt sich darum zu kämpfen, jeder in seinem Bereich.“
Die Veranstaltung wurde von den Gitarristen Tilman Höhn und Frank Haunschild mit eigenen Arrangements stimmungsvoll und virtuos begleitet.
Heidi Förster
Öffentlichkeitsarbeit
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